Bist Du dumm, ignorant, Rassist oder hast Du einfach nur schwache interkulturelle Kompetenzen?

Die Frage geht an die sogenannten gebildeten Leute, die glauben von der richtigen Seite aus zu denken, meinen politisch korrekt zu sein, weil sie zum Beispiel Trendgerecht die Klimakatastrophe verpönen.

Sie denken Ihre Ideen seien die guten, weil Sie sich als fortschrittlich und modern bezeichnen, und deshalb sich herausnehmen, „die anderen“ auf den Arm zu nehmen. Hier fällt mir ein Aphorismus von Elmar Kuppe (1942-2018) ein: „Der Spießer braucht Vorurteile, damit alle andersdenkenden keinen Platz in seiner Demokratie haben“!

Wie oft habe ich das miterlebt? Wie oft ertappe ich mich selber dabei zu sagen: „wir Italiener sind so und so“ oder „ihr Deutschen denkt so und so“. Aber nun habe ich es satt. Ich höre einfach nicht mehr hin, wenn die sog. gebildeten Menschen folgende Sachen erzählen, die ich hier in 2 Mini-Kapiteln aufteilen möchte: Deutsche gebildete Menschen über Italien, Italienische gebildete Menschen über Deutschland.

Aber vorher: was heißt in unserem Jahrtausend, gebildet zu sein? Abitur, Studium, viel gelesen zu haben, zum Beispiel? Was ist mit dem gesellschaftlichen Hintergrund? Sind wir alle gleich? Wie denkt ein bürgerlicher, ein Bauer, ein Aristokrat, ein Proletarier, egal ob in Deutschland oder Italien? Ja, denn kulturelle Unterschiede haben, wie oft sage ich das, nicht nur mit Nationalität zu tun, sondern mit gesellschaftlicher Herkunft, der familiären Erziehung, überall auf der Welt.

So, fangen wir an, mit dem ersten Mini-Kapitel:
– „Gebildete“ Deutsche über Italiener und Italien:

Stadtverkehr: Sie freuen sich tierisch, wenn in Italien etwas „wieder Mal“ schief läuft. Zum Beispiel wenn Busse in einer großen Stadt nicht wirklich funktionieren, wie in Deutschland. Der Bus, der in einer Stadt wie Rom welche 3.000 Jahre Geschichte hat, in der zum Glück weder das Kolosseum noch der Petersdom abgerissen wurden, um Fahrradwegen Platz zu machen, hat keine genauen Ankunftszeiten. „Bei uns in Deutschland (ein unausstehliches, ständig zitiertes Refrain), ist das nicht akzeptabel“. Entschuldigung wenn z.B. die Stadt Rom mit 1.285 km2 die zweitgrößte Stadt Europas (bezogen auf die Fläche der Stadt, nicht der Metropolregion) hinter London (1.579km2) ist. Zum Vergleich ein paar Städte Deutschlands: Berlin 892km2 (Rom 1,4 Mal grösser), Hamburg 755km2 (Rom 1,7 Mal grösser) München 310 km2 (Rom 4,1 Mal grösser), Leipzig 297 km2 (Rom 4,3 Mal grösser).

Design: In Italien haben die Pizzeria‘s Neon-Leuchten, die Atmosphäre ist nicht wirklich gemütlich. Bei uns in XY-Dorf, gibt es hervorragende Pizza (??) in einem gemütlichen Raum. Ach ja, alle lokale sind im Designer-Land und Gastronomie-Paradies Italien so wie es jemandem ein paar Mal passiert ist, zu erleben. Keinen weiteren Kommentar.

Politiker: Ich möchte hier die Politik aus dem Spiel lassen. Aber, meine lieben gebildeten Deutschen, informiert Euch über das was in Italien passiert, nicht ausschließlich über das, was Auslandskorrespondenten, die nicht immer wirklich die italienische Gesellschaft von innen auch nur ansatzweise kennen, in nur deutschen Tageszeitungen schreiben. Sofern Ihr italienisch spricht (oh ja, es gibt sie, Deutsche die italienisch sprechen, viele sogar), lest bitte auch mal italienische Zeitungen, und nicht nur die, die Euch ideologisch sympathisch sind. Also, bitte, Scheuklappen weg. Einen Politiker zu beurteilen, ohne ihn gesehen, gehört und unzensiert gelesen zu haben, ist Dummheit oder, Entschuldigung, Unlust interkulturelle Kompetenz zu entwickeln und andere Meinungen zu erfahren und, wenn gewollt, auch zu verstehen.


Deutsche Sprache: „Kein Mensch spricht hier deutsch“. Das habe ich allen Ernstes von sog. gebildeten Deutschen gehört, natürlich nicht im Alto Adige (oder, auf Deutsch, Südtirol). Tja, was soll ich hier noch schlau kommentieren. Ja, in Italien ist die Hauptsprache seltsamerweise Italienisch, Punkt.


Lebensqualität: „In Deutschland funktioniert alles besser, wir haben die beste Lebensqualität“. Schwer zu kommentieren, welche Statistik soll ich hier heranziehen. Ein traurige Statistik fällt mir ein, die der Selbstmorde. In 2018 (vergleichbare Daten zwischen Deutschland und Italien), nahmen sich 9.396 Menschen in Deutschland das Leben (bei ca. 80 Mio. Einwohnern) In Italien im gleichen Jahr waren es 3.789 (bei ca. 60 Mio. Einwohnern). Das ist sicherlich nicht der einzige Maßstab, Lebensqualität oder Lebensfreude zu messen. Aber nachdenken sollte man da schon ein bisschen.

Und nun zum anderen Mini Kapitel.
– „Gebildete“ Italiener über Deutsche und Deutschland:

Phantasielosigkeit und Flexibilität: „Die Deutschen haben keine Phantasie und sind mental nicht flexibel. Sie planen zwar alles, aber sobald sich eine Situation ergibt, die nicht in ihre „Richtlinien“ passt, bricht bei ihnen die Panik aus!“. Das mag im Großen und Ganzen wohl stimmen. In Notsituationen, sind es meistens die Völker, die es gewohnt sind, mit wackeligen Situationen umzugehen, die kreative und innovative Lösungen finden. Aber das sind doch meistens Ausnahmefälle. Lieber so viel wie möglich planen und durchdenken, und damit, sagen wir Mal, 80% der Fälle vorsehen, als ständig in Ungewissheit leben. Es gibt wohl Gründe, warum Deutschland einer der stärksten Industrienationen auf dieser Welt ist.

Kleidung und Stil: „Deutsche können sich einfach nicht ansprechend anziehen, mit ihren Jesuslatschen und den weißen Socken“. Nun, über Geschmack zu sprechen ist schwierig. Vielleicht gibt es Statistiken, über wie viele Deutsche Sandalen mit weißen Socken tragen und wie viele Italiener. Hier sei wieder gesagt dass oft die Kinderstube eine Rolle spielt (in Italien wie in Deutschland), und das Deutschland in vielen Bereichen Meister der Eleganz und des Stiles aufweisen kann. Soll ich sie hier aufzählen?

Gastronomie: „Deutsches Essen ist miserabel“. Ich gebe zu, hin und wieder so etwas gedacht zu haben. Zum Essen habe ich nie miserabel gesagt (Respekt für die, die zu wenig davon haben), aber vielleicht, dass die Zusammensetzung der Gerichte nicht gerade spannend ist: Kartoffeln, Fleisch, Soße mit Soßenbinder usw.. Auch hier: „de gustibus non est disputandum“, wieder einmal, eine Frage des Geschmacks. Liebe „gebildeten Italiener“, ich möchte nicht auf die hervorragende Schweinshaxe mit richtig knuspriger Kruste und exzellenten Klößen verzichten.

Sprache ist unverständlich und klingt hart: „Deutsch klingt hart und unfreundlich, nicht umsonst sind die Befehle für Hunde, weltweit, auf Deutsch: sitz, Platz usw.“. Ach wirklich? Das, was nicht verstanden wird, ist nicht schön. Das ist etwas zu trivial. Ich dagegen liebe die Deutsche Sprache, aufgrund ihrer Klarheit und ihres Begriff-Reichtums, Ein Beispiel: der Begriff „Wohnungseigentümergemeinschaft“ ist ein Wort und beinhaltet eine große Menge an Konzepten. Im italienischen würde diese Wort, wenn wörtlich übersetzt, wie folgt aussehen: „associazione di proprietari di appartamenti“ (oder auch, condominio 😊), also mit 5 Wörtern. Die deutsch Sprache ist genau, klar, deutlich, das bedeutet dass die Quote von Missverständnissen meines Erachtens viel geringer ist, als im Italienischen.

Zusammenfassend:
– Bevor ein kluges Urteil gefällt wird, informiere Dich an kompetenter Stelle
– Gossip ist zwar Unterhaltsam und manchmal lustig, führt aber oft zu Geschmacklosigkeit
– Italiener sind Italiener, Deutsche sind Deutsche, und all diese 140 Millionen Menschen sind unterschiedlich untereinander
– Unterschiede haben nicht nur (zu einfach) mit Nationalität zu tun, sondern mit Character, Erziehung, gesellschaftliche Schicht, Bildung, Intelligenz, Empathiefähigkeit u.v.m.
– Eine Sache könnte alle verbinden, der gegenseitig Respekt

– Respekt ist nicht nur dass, was Du glaubst zu kennen, sondern dass, was der andere empfindet

Wie könnte eine angenehme Person gestrickt sein? Vielleicht so: freundlich, zuverlässig, phantasievoll, pünktlich, kreativ, sympathisch, elegant, wohlerzogen, stilvoll, diszipliniert, flexibel. Eine gute Mischung aus typisch deutschen und italienischen Eigenschaften, oder? So jemanden gibt es doch sicher, es sind ja nicht alles „gebildete interkulturell schwache Personen“ die unser Leben beglücken.